Franz von Zülow (1883 Wien – 1963 Wien) war zu Lebzeiten ein höchst erfolgreicher und allgemein anerkannter Künstler, dem von Anfang an eine unverkennbare Handschrift und ein Gefühl für harmonische Farbgebung attestiert wurden. Arbeiten auf Papier sind derzeit im MAK zu sehen. Von Leonore Maurer
Den Erfolg Zülows zu Lebzeiten beweisen zahlreiche öffentliche und private Ankäufe und Aufträge, finanzielle Förderungen, Preise und Auszeichnungen, Mitgliedschaften in vielen Künstlervereinigungen, Ausstellungen bzw. -beteiligungen hauptsächlich in Österreich und Deutschland, aber auch in Großbritannien, Frankreich, Italien, der Slowakei, den USA und während des 2. Weltkrieges in besetzten Gebieten. Presseberichte von Studienzeiten bis ans Lebensende dokumentieren seine Karriere. Sogar in der harten Zeit zwischen den Weltkriegen konnte er mit seiner Familie von seiner künstlerischen Arbeit leben, auch nachdem seine Frau 1924 ihre Anstellung im Atelier Josef Hofmanns, überfordert von Büroarbeit, Schwangerschaft und Haushalt, aufgegeben hatte.
1942 wurden Zülows Arbeiten zwar nicht als entartet, aber als „minderwertige Kunsterzeugnisse“1 eingestuft, damit vom öffentlichen Ausstellungsgeschehen ausgeschlossen. Zudem erhielt er Malverbot, seine Arbeiten mussten aus dem Handel genommen werden, denn seine Bildsprache entsprach in keiner Weise der offiziellen Anforderung, Menschen heroisch und idealisiert darzustellen. Der Architekt Wörle intervenierte erfolgreich und die Einschränkungen wurden bald aufgehoben.
Zülow war der Sohn einer Niederösterreicherin und eines k.k. Postoffizials, eines nicht pragmatisierten Postanstaltsbeamten2, der zwar aus altem mecklenburgischen Adel stammte, was ihm aber im habsburgischen Verwandtschafts- und Beziehungsgeflecht nicht zu einer Karriere verhalf. Nach dem frühen Tod seines Vaters wuchs Zülow in Niederösterreich auf. Durch seine Ausbildung in einer Allgemeinen Zeichenschule, später an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, der Kunstgewerbeschule und bei den Wiener Werkstätten war er in allen Zweigen der angewandten Kunst bewandert, was zweifellos seinen Neigungen entsprach. Schon während der Ausbildung konnte er an Ausstellungen teilnehmen und Arbeiten verkaufen.
1915 meldete er sich freiwillig zur Armee und wurde nach kurzem Waffendienst an der Front als Sanitäter eingesetzt. Zeichnungen auf Feldpostkarten und andere Kriegszeichnungen entstanden. Zum Zweiten Weltkrieg, zu dem er aus Altersgründen nicht mehr eingezogen wurde, scheint es keinen Kommentar in Schrift oder Bild zu geben.
Zülow schuf Bilder in Öl- und Kleistermalerei, Kataloge, Plakate, Etiketten u.a. Werbematerialien, Kalender, Mappenwerke, Illustrationen (Elixiere des Teufels, Der goldene Topf von E.T.A. Hoffmann, Märchen, Geschichten aus 1000 und 1 Nacht und der Bibel, Heiligenlegenden), Tapetendrucke, Papierarbeiten, eine Malfibel für Laien, entwarf Briefmarken, Banknoten und Gobelins, freskierte Hausmauern und Wände in Kirchen, Gaststätten, Privathäusern, bemalte und bestempelte Möbel, Holzdecken, Türstöcke und Gebrauchskeramik aller Art von Aschenbechern bis zu Kachelöfen, organisierte sogar Feste, eine der wichtigsten Aufgaben barocker Künstler.
Er war bewandert in allen zeitgenössischen druckgraphischen und Maltechniken, experimentierte mit ihnen und ließ sogar 1907 einen von ihm selbst nach chinesischem Vorbild entwickelten Papierschnittdruck patentieren.
Wichtige Motive seiner Arbeit sind von Menschen und/oder Tieren belebte Landschaften, Tier- und Pflanzenbilder, florale Ornamente unterschiedlichen Abstraktionsgrades, Stillleben und fiktionale Dorf- und Stadtbilder. Die beliebtesten Adjektive zur Beschreibung seiner Werke waren und sind: kindgerecht und kindlich, authentisch, volkstümlich, idyllisch. Die kaum hinterfragte Tradierung dieser Beurteilung ist problematisch, da gerade Begriffe wie kindgerecht und volkstümlich im Laufe der letzten 100 Jahre einem starken Inhalts- und Wertwandel unterworfen waren.
Das ländliche Idyll, das Roland Girtler in seinem Katalogbeitrag betulich beschreibt, besteht bei Zülow nicht aus Liebespaaren in der Geißblattlaube, sondern aus recht naturalistischen Bildern vom Landleben, von denen manche die existenzielle Bedrohung durch Naturgewalten und ein hartes bäuerliches Arbeitsleben, wie es Zülow in seiner Kindheit miterlebt hat, durchaus erkennen lassen – so man dies denn will.
Zum Thema „kindgerecht“ muss man beachten, dass jene zahlreichen Arbeiten Zülows, gedacht für Kinder, teuer waren, also nur leistbar für finanziell gutgestellte Familien. Und dass Kindererziehung in derartigen Familien gewöhnlich auch darin bestand, die Kinder von „unpassenden“ Erfahrungen fernzuhalten. Einblicke in aktuelle technische Entwicklungen, an denen Kinder, wie wir heute anerkennen und fördern, höchst interessiert sind, in Sexualität, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt oder in andersgeartete Lebensverhältnisse waren Kindern aus „besserem Haus“ nicht gestattet. Die üblichen Mittel der Erziehung waren bis vor gar nicht langer Zeit autoritär, furchteinflößend, körperlich brutal3. In manchen Arbeiten Zülows, mit denen man gerne Kinderzimmer ausschmückte oder die man als Spielzeug verschenkte, gibt es Hinweise darauf. Die Neigung, die Arbeiten Zülows von Anfang an als „Kunst fürs Kind oder für das unverbildete Volk“4 einzuschätzen, resultiert allerdings nicht nur aus seinen bevorzugten Inhalten, sondern auch aus seinem Stil und seiner Bildsprache, die sich an traditionelle Volkskunst anlehnten und in ihrer oft nur scheinbaren Einfachheit dieses Urteil beförderten.
Auch seit seinem Tod ist Zülow nicht ganz vergessen: 1996 organisierte die Familie Jesina in ihrer Galerie 16 eine Ausstellung mit Arbeiten auf Papier, samt kleinem Katalog, und bot einen postumen Nachdruck von acht Litho-Blättern, vermutlich entstanden 1934, als Mappe an, 2003 machte sie eine Ausstellung seiner Reliefzeichnungsfrottagen, ebenfalls samt Katalog, 2004 gab es eine Ausstellung in der Galerie bei der Albertina und jetzt die Jubiläumsausstellung zum doppelten Gedenktag (130. Geburts- und 50. Todestag) im Kunstblättersaal des MAK, die naturgemäß ebenfalls seinen Arbeiten auf Papier gilt. Auffallend ist, das der Katalog zur MAK-Ausstellung mit ausführlichen kunsthistorischen Einschätzungen und einer detailreichen Biographie keinerlei Auskünfte über die postume Rezeptionsgeschichte gibt.
Anmerkungen:
1 Zit. nach Kathrin Pokorny-Nagel: Franz von Zülow, in: Katalog S.114
2 Die Information zum Status des Post-Offizials in der k.k Dienstordnungs-Hierarchie verdanke ich der Historikerin Dr. Brigitte Pellar
3 Körperstrafen, auch an Kindern, wurden erst in den 1960er Jahren allgemein und wirksam problematisiert, das Züchtigungsrecht der Eltern in Österreich stufenweise zwischen 1975 und 1989 abgeschafft. (http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%Körperstrafe, 14.4.2014)
4 Joseph August Lux, in: Wiener Zeitung, 7.Dezember 1905, zit. nach Pokorny-Nagel (Anm.2), in: Katalog S.94
Die Ausstellung „Franz von Zülow. Papier“, kuratiert von Mag.a Kathrin Pokorny-Nagel ist vom 27. November 2013 bis zum 11. Mai 2014 im Kunstblättersaal des Museums für angewandte Kunst Wien, Stubenring 5, 1010 Wien zu sehen. www.MAK.at
Zur Ausstellung erschien in der Reihe MAK-Studies (Nr.22) ein Katalog:
Franz von Zülow. Papier / Paper, hg.v. Christoph Thun-Hohenstein und Kathrin Pokorny-Nagel, mit Textbeiträgen von Roland Girtler, Friedrich C. Heller, Peter Klinger, Gerd Pichler, Kathrin Pokorny-Nagel und Christoph Thun-Hohenstein. Deutsch, englisch, 143 S., broschiert, 21,1 x 26 cm, Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2013; ISBN 978-3-86984-473-2; € 24,-
Aus: Um:Druck – Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur, Nummer 25, April 2014, S.6f.