Südkorea: Ulsan Woodcut Festival 2017

Aus Südkorea berichtet Manfred Egger

Über die freundliche Vermittlung durch Georg Lebzelter wurde mir heuer im Frühling die für mich durchaus sehr ehrenwerte Aufgabe zuteil, für das 6th Ulsan Woodcut Festival 2017 eine kleine Auswahl österreichischer HolzschneiderInnen zusammenzustellen und für die Ausstellung in Südkorea zu nominieren.
Das Ulsan Woodcut Festival lädt traditionell neben den am zahlreichsten vertretenen südkoreanischen HolzschneiderInnen immer 3-4 Gastländer ein, um so eine Internationalisierung und intensivere Einblicke in andere Holzschnitt-Kulturen zu erreichen, ohne dabei durch eine auch mögliche Einladung vieler Gast-Länder eher zu zersplittern als zu vertiefen. Nach den letztjährigen Gastländern China, Japan und Polen war diesmal der Schwerpunkt mehr auf Europa gerichtet, und so konnten heuer jeweils fünf KünstlerInnen aus Österreich, Finnland, der Tschechischen Republik und Thailand je 2 Arbeiten nach Ulsan schicken. Die österreichischen TeilnehmerInnen waren Angelika Fink aus Salzburg, Desislava Unger aus Wien, die beiden Vorarlberger Hugo Ender und Günter Bucher und Manfred Egger aus Tirol.

Schon im Vorfeld der Veranstaltung konnte man den Eindruck großer Professionalität spüren, erst recht dann anlässlich der Ausstellung selbst. Die Arbeiten wurden jeweils nach Ländern gesammelt nach Ulsan gesandt, dort in einem Rahmenstudio fachmännisch und dezent (ohne Glas) gerahmt und schließlich vor Ort, im Ulsan Culture & Arts Center, großzügig und umsichtig gehängt.  Die süd-koreanischen Holzschnitte wurden in drei großen Räumen im Erdgeschoß, die Arbeiten der Gastländer im ersten Obergeschoß, mit großer Lichtkuppel, präsentiert.  An die 100 Drucke wurden so klug und einfühlsam gruppiert und dem Publikum vorgestellt. Zusätzlich konnte man in jedem Raum von geschultem Personal Informationen und Auskünfte einholen.  Im geräumigen Innenhof des Center wurden überdies mehrere Ausstellungszelte platziert. Darin präsentierten eine Reihe von Studenten ihre Arbeiten, die dabei ein sehr weites Spektrum des Mediums Holzschnitt vorführten – von traditionellen Drucken, Bildfindungen im Sinne eines „Tafelbildes“, bis hin zu Arbeiten auf Papier, das letztens zu Schirmen, Fächern, Leporellos, Künstlerbüchern, Figuren aus dem bedruckten Papier, etc. weiterbearbeitet wurde.  Daneben konnten die Besucher Informationsmaterial studieren, aber auch selbst von vorbereiteten Druckplatten Motive aus Ulsan und Korea von Hand abziehen.  Auch T-Shirts und Tragtaschen konnten im Siebdruck mit dem Logo des Woodcut Festivals und jeweils weitern Motiven bedruckt werden. Dies mag auf den ersten Blick etwas kommerziell oder zu wenig seriös erscheinen, andererseits ergibt sich so aber auch ein erster Schritt zur Thematik hin, und die meisten Besucher erfreuen sich letztlich sehr an Selbstgefertigtem und erleben so auch die Technik im Selbstverfahren hautnah.
Neben diesem „Umfeld-Programm“ wurde auch ein Seminartag mit Vorträgen zum Thema „Holzschnitt“ abgehalten.  Dabei sprach die südkoreanische Kunsthistorikerin und selbst Holzschnittkünstlerin Bae Nam Kyung über neuere Entwicklungen des koreanischen Holzschnittes (was in etwa den Zeitraum ab der Befreiung Koreas von den Japanern bis heute umfasst), Annu Vertanen (Prof. an der Academy of Fine Arts in Helsinki) über die finnische Situation im 20/21.Jahrhundert, und ich durfte allgemein zur Entwicklung des europäischen Holzschnittes (im Gegensatz zur Entwicklung in Asien) und einigen ausgewählten österreichischen Vertretern der Gegenwart (Erich Steininger, Robert Hammerstiel, Michael Schneider u.a.) referieren. Die Reden aller Vortragenden wurden dabei in einer zweisprachigen Broschüre aufgelegt.

 

Zur Ausstellung erschien ebenfalls ein umfassender Katalog, der neben einführenden und einigen allgemeinen Beiträgen vor allem jeweils eine Arbeit aller Teilnehmer umfasst. Auch dabei legten die Veranstalter größten Wert auf Qualität.
Ob sich in der Ausstellung allgemeine Trends des zeitgenössischen Holzschnittes oder spezifische Unterschiede zwischen den einzelnen Teilnehmerländern finden lassen, ist eine schwierige Frage. Gemeinsam ist allen teilnehmenden Ländern sicherlich eine Erweiterung des klassischen Holzschnittes in Richtung experimenteller Drucktechniken und Mischtechniken. Einzelne KünstlerInnen versuchen immer wieder, ihre Arbeiten inhaltlich und technisch in eine ganz bestimmte, sehr persönliche Richtung zu entwickeln. Ob es sich dabei um die großformatigen „Ring- oder Spiral-Drucke“ von Annu Vertanen handelt, die Arbeiten des Thais Jakkee Kongkaew, der sich seine ganz speziellen „baren“ aus diversen Kugellagern baut, um Kim Mihyangs Mischtechniken aus Schnüren und Reliefpapier, Choi Jongsiks Arbeiten, die er unter Verwendung von Holzstäbchen druckt, oder um An Jeonmings Holzdrucke auf Silikon-Pigment-Farbträger, alle zeichnen sich aus durch innovative Auffassungen der alten Drucktechnik verbunden mit wenig Scheu vor orthodoxen Sichtweisen. Gerade durch diese grenzüberschreitenden Zugänge bleibt die uralte Technik des Holzschnittes lebendig und offen für Neuinterpretationen.

Ein gemeinsames Merkmal der koreanischen Arbeiten bildet vielleicht die Tatsache, dass man nie den Eindruck gewinnt, es würde versucht „westlich“ zu erscheinen (was man durchaus bei chinesischen oder auch japanischen KünstlerInnen gelegentlich findet). Was umgekehrt typisch koreanisch ist, scheint auch den Koreanern selbst nicht immer so klar zu sein. Im Gegenteil, die Suche nach einer authentischen, von außen unbeeinflussten „koreanischen Handschrift“ wird innerhalb der koreanischen Künstler-/Holzschneider-Community durchaus diskutiert.

Gerade die Nähe zu China und Japan, wohin naturgemäß (durch die rein geographische Nähe, durch das Vorbild der „großen Brüder“, auch durch das Fehlen von eigenen speziellen Angeboten in den nationalen Kunsthochschulen) viele KunststudentInnen zumindest zeitweise emigrieren, führt auch dazu, sich dann wieder besonders von diesen Einflüssen abzugrenzen und auf das Eigene zu besinnen.

Technisch betrachtet drucken die Koreaner „japanisch“ oder „chinesisch“, traditionell, mit Druckfarben auf Wasser- oder Ölbasis, oft auch im Reduktionsdruck. Thematisch zeigt sich wiederum eine riesige Bandbreite von traditionellen Themen – Landschaftliches, Figürliches – über moderne Motive wie Großstädtisches oder der Technik bis hin zu rein abstrakten Formen unterschiedlichster Ausformulierung. Ein wiederkehrendes – vielleicht für uns Europäer eher unerwartetes – Motiv stellen das Meer und der Wal dar. Das liegt aber wohl in erster Line daran, dass uns Korea als Nation der Fischer (und vormals Walfänger) nicht so geläufig ist. Wir denken heute eher an Industrie- (Autofabriken, Werften) und Elektronikprodukte(Mobiltelefone), die heute natürlich wesentlich mehr zum Bruttonationalprodukt des Landes beitragen. Was großteils fehlt, sind politische Bezüge (Nordkoreakonflikt/innere soziale Konflikte), – oder wir erkennen sie zu wenig.

Zwei interessante Aspekte noch zum Schluss: wie kommt eine Industriestadt wie Ulsan dazu, sich speziell für die Förderung des Holzschnittes einzusetzen? Neben dem persönlichen Engagement der Organisatoren und Veranstalter (Ulsan Woodcut Association), das immer primär zu sehen ist, mag auch ein Grund in den mehr als 2000 Jahre alten Bangudae-Petroglyphen zu erkennen sein, die ganz in der Nähe von Ulsan zu finden sind, auf einer Felswand am Fluss. Diese werden dort als die ältesten Vorläufer des Holzschnittes gesehen (im Sinne von Reliefs im Stein – parallel zum Relief der Holzdruckplatte; vgl. engl.: relief-print). Ein weiterer für uns etwas ungewöhnlicher Vergleich ergibt sich aus der Tradition als Industrie- und Arbeiterstadt. Industrieproduktion steht für mechanische Reproduktion von Gütern in hoher Stückzahl – und auch der Holzschnitt wird als mechanische, wenn auch künstlerische, Reproduktionstechnik gesehen, die eine „höhere Stückzahl“ ermöglicht. So wird eine Brücke geschlagen zwischen Industrie und Kunst. Wie ernst diese Verbindung tatsächlich genommen wird, zeigt sich nicht zuletzt in der großen Zahl von Sponsoren (die natürlich in erster Linie aus der Wirtschaft, der lokalen Industrie stammen), die das Festival erst möglich machen.

Zusammengefasst kann man den Veranstaltern des Ulsan Woodcut Festival, die weiterhin daran arbeiten, die Veranstaltung noch mehr zu vergrößern und noch mehr an Gewicht in der internationalen Druckgraphik-Welt zu gewinnen, zu ihrer Leistung gratulieren. Das Festival bietet mit seiner Reduktion auf nur Holzschnitte für Besucher und KünstlerInnen einen einmaligen Ort, um traditionellen Holzschnitt und neueste Trends in dieser Technik aus aller Welt zu erleben.

 

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