„Werden und Vergehen“ Farbholzschnitte von Brian Curling in Leipzig

Brian Curling hat sich ausführlich mit der Kunst des Japanischen Farbholzschnittes beschäftigt. Diese Faszination teilt er freilich mit vielen Künstlern. Curling ragt mit seinen Arbeiten, soweit ich das beurteilen kann, jedoch bereits jetzt heraus, denn er hat eine sehr individuelle und besondere Arbeitsweise entwickelt, die seine Farbholzschnitte einmalig macht.
Aktuelle Arbeiten zeigt er noch bis Anfang September unter dem Titel „Werden und Vergehen“ in der Leipziger Galerie für Holzschnitt und Hochdruck.

Aufgewachsen in Kentucky, absolvierte Brian Curling ebenda ein Kunststudium, das ihn früh für Druckgrafik und Buch faszinierte. Er setzte sein Studium in Nebraska-Lincoln fort – dort vor allem bei der versierten Grafikerin und Buchkünstlerin Karen Kunc, die ihn auf seinem weiteren künstlerischen Weg nachhaltig bestärkte. Curling ist seitdem viel gereist – als Lernender und Lehrender hielt er sich u.a. in Cleveland, Helsinki und Kairo auf. In den letzten Jahren hat er einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden – gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Friederike Curling-Aust, und den beiden Kindern wohnt und arbeitet er in Radebeul bei Dresden. Beide betreiben neben der eigenen künstlerischen Arbeit eine engagierte kleine Malschule in schönster Weinberg-Umgebung.

Den auf dem Land aufgewachsenen Curling sich in sächsischer (zumindest landschaftlicher) Idylle vorzustellen, scheint stimmig, und auch seine Motive lassen auf den ersten Blick an „schöne Landschaften“ denken. Tatsächlich nimmt man auf seinen Bildern zuerst Bäume und Blüten, Wuchs- und Wasserstrukturen oder auch Luftschwingungen wahr. All das ist sehr sublimiert abgebildet, baut sich in minimalen Schichtungen auf. Und an dieser Stelle muss man sich die besondere Arbeitsweise Curlings verdeutlichen: Er druckt seine Motive auf feinste transparente Papierbögen. Allein die Handhabung dieser beim Drucken erfordert meditative Ruhe und Konzentration. Auf jeden der Bögen druckt er eine Farbe eines Holzstockes – nicht mit Wasserfarbe (wie es auch das geübtere Auge meinen möchte), sondern mit aquarell wirkend lasierender Ölfarbe. Die einzelnen Papierbögen – nicht selten fünf verschiedene – werden mit wenigen Stichen und kaum sichtbarem Zwirn miteinander arretiert und bilden dann erst das eigentliche Bild.
Und dieses nun als „Landschaftsbild“ einordnen zu wollen, wäre zu kurz gefasst. Curling geht es nicht um Naturalismus, er ist nicht nur physisch überzeugter Kosmopolit, sondern auch geistig-emotional. Als solcher begreift er sich immer als ein Forschender und sucht das Gesehene in Verbindung mit seinem Wissen zu bringen. Er ergründet und visualisiert. Dabei ist er sich der wechselseitigen Einflüsse zwischen europäischer, asiatischer und arabischer Kultur – heute mehr denn je! – bewusst und sucht auch hier nach Zusammenhängen. Nichts ist voneinander gelöst existent und demzufolge nichts isoliert zu denken. „Mit den gleichen Augen“, ein Gedicht von Hilde Domin, das Curling zu mehreren Arbeiten inspirierte, spricht in diese Richtung.
In seinen Bildern spürt Curling – auf seine ganz unaufgeregte und leise Art – Kreisläufen und Symbolen nach: Baum und Wasser beispielsweise lassen ihn nicht los. Hier taucht er immer wieder künstlerisch ein in den Kreislauf aus Nährstoffen und Wasserteilchen, in Luftaustausch und Veränderung, in das Hinausweisen über die Spanne menschlichen Lebens, und er kommt über das Buch mit seinen „Lebensseiten“ (ich zitiere ich hiermit nur kurz frühere komplexe Arbeitsprojekte von ihm) zur kulturellen Essenz.
Es sind insbesondere „liminale“, also mehrdeutige Zustände, die Curling als bestimmend für unser heutiges Sein definiert. Und hier komme ich auf seinen künstlerischen Arbeitsprozess zurück: Curling ist kein buddhistischer Mönch, der sich mehr oder weniger ausschließlich in die Verfeinerung und Ritualisierung des Farbholzschnittes zurückziehen könnte. Jedoch zeigt er uns nicht weniger, als dass erst das Bewusstsein und das vielseitige handwerklich-künstlerische Können in einem Arbeitsprozess eine Ästhetik hervorzubringen vermögen, die weit mehr als „schmückend“ wirkt: Nämlich indem er zugleich auf eine Lebensweise für die moderne Gesellschaft weist – Wege und Räume aufzeigt, die physisch und psychisch „frei gehalten“ werden müssen, um ihre Komplexität erfahren zu können.

So gesehen, weisen diese persönlichen Sichten des Künstlers Brian Curling weit über das individuelle Wahrnehmen und Verarbeiten hinaus. (Mehr zum Künstler: www.brian-curling.com)

Innerhalb der sehenswerten Schau ( bis 10. September) findet am Samstag, dem 27. August um 17 Uhr ein  Künstlergespräch statt.

Hoch+Partner /
Galerie für Holzschnitt und Hochdruck
Lützner Str. 85, D-04177 Leipzig
www.hoch-und-partner.com

Abb. Brian Curling, „Mit den gleichen Augen“, 90 x 69 cm, Farbholzschnitt, 2015

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