Friedensreich Hundertwasser: Die Botschaft des Umwelt-Messias
Friedensreich Hundertwasser 1928 – 2001. Argumente zur Würdigung seiner Druckgraphik von Philipp Maurer
Friedensreich Hundertwasser hätte am 15. Dezember 2008 seinen 80. Geburtstag gefeiert. Am Symposion der Hundertwasser Gemeinnützigen Privatstiftung im Wiener Kunsthistorischen Museum wurde Leben und Werk Hundertwassers unter den vielfältigen Gesichtspunkten der Kunst, Architektur, Psychologie und Ökologie gewürdigt. Um:Druck interessiert vor allem das druckgraphische Werk Hundertwassers, das in Wien sehr umstritten ist, anderswo allerdings als dessen wichtigster Werkteil geschätzt wird. Argumente dafür liefert der Symposionsbeitrag von Philipp Maurer.
Für die Analyse der Druckgraphik als Mediengeschichte bietet das Werk Hundertwassers gutes Material. Seine Popularität als Künstler hat Hundertwasser durch sein Anliegen, zur ökologisch nachhaltigen Veränderung der Welt beizutragen, nachhaltig befördert. Dieses Anliegen wurde seinerseits so wirkungsmächtig, weil es sich des wirkungsmächtigen Mediums Druckgraphik bediente. Vieles, was Hundertwassers öffentliches Auftreten und Wirken charakterisiert, charakterisiert auch die Druckgraphik, die als Medium zur massenweisen Verbreitung von Botschaften dient. Eine glückliche Symbiose also, die in der Natur der Sache Druckgraphik und der Kultur der Person Hundertwasser liegt.
Die Druckgraphik ist der Schlüssel zum Verständnis des Gesamtwerks Hundertwassers. Man missversteht ihn, wenn man die zentrale Bedeutung der Druckgraphik nicht versteht. Allein aus seinem Werk könnte man die Theorie, Funktion und Wirkungsweise der Druckgraphik entwickeln und bebildern. Denn Hundertwassers Bedeutung erschöpft sich nicht in der Kunstgeschichte, von der er sich, wie in mehreren Symposionsbeiträgen erwähnt, schon 1959 „verabschiedet“ hat. Er beeinflusste die Entwicklung der visuellen Kultur und des ökologischen Bewusstseins, sein Werk, das Visionen über bewohnbare Architektur und Natur im Alltag, über Umweltschutz und unser Verhältnis zu Pflanzen propagiert und für ein Zurück zu naturnaher Lebensfreude agitiert, beschäftigt Ästhetiker, Psychologen, Soziologen und Architekten. Hundertwasser war ein Prophet, ein Missionar mittels Bildern, die als Druckgraphiken den Vielen zugänglich waren, er war nicht der Produzent großer, einsamer Werke fürs Museum oder Privatsammlungen. Der kunstwissenschaftliche Diskurs ist daher nur beschränkt zuständig, zuständig sind vielmehr die Chronisten der Medien, der politischen und ökologischen Diskussion. Dieses Werk ist öffentlich gemachte Botschaft mit Inhalten, die alle Menschen angehen, und in einer Form, die auch jene anspricht, die keine Ahnung von Kunst und Kunsttheorie haben (also Menschen wie die berühmte Omama, auf deren Urteil Hundertwasser großen Wert legte, ebenso wie den Atomphysiker und sogar den Manager von Finanzportfolios). Die eindrucksvollsten Werke der Kunstgeschichte sind ja diejenigen, mit denen alle, nicht nur Spezialisten, in Dialog treten, mit denen kommunikative Interaktion auch für Laien möglich ist.
Das Interesse des Missionars Hundertwasser für Druckgraphik beruht auf deren kommunikativer und interaktiver Potenz, der Künstler Hundertwasser kultivierte die Druckgraphik als handwerklich aufwendige Technik, schätzte sie als Resultat schöpferischer Konzentration, als Zusammenarbeit mit Menschen, die sich ihrer Sache mit Begeisterung hingeben. Daraus gewann das Werk die Überzeugungskraft, mit der es die visuelle Kultur einer Stadt, eines Landes, der Welt beeinflusste.
Solche Kunst mit solcher Zielrichtung setzt sich dem Vorwurf aus, Kitsch zu sein: Hundertwassers Bildsprache appelliert nicht an die kleinbürgerliche Empfindsamkeit, liefert nicht gefühlsduseligen Ersatz wofür auch immer. Sie appelliert an das Gefühl, an Verstand und Urteilskraft, vertraut mit ihrer in sich geschlossenen Ästhetik auf die Argumentationskraft der Bilder. Da sich Hundertwassers Ästhetik konsequent in allen von ihm verwendeten Techniken wiederfindet, haben seine Arbeiten einen hohen Wiedererkennungswert, was für den Marktwert des Künstlers ebenso vorteilhaft ist wie für die Verbreitung der Botschaft.
Damit stellte sich Hundertwasser ab den 1960er Jahren gegen den herrschenden Trend in der Kunstszene. Die Abstraktion der Nachkriegszeit war stolz auf die selbstreferenzielle Konzentration auf das Material, auf das künstlerische Schöpfertum und den Selbstausdruck als Wert an sich, postulierte eitel die philosophische Brauchbarkeit der Kunst und verzichtete bewusst auf soziale Brauchbarkeit der Kunstprodukte. Solche Kunst ist Religion, auf ein Abstraktum außerhalb der Lebenswirklichkeit gerichtet.
Hundertwassers Sache war diese Religion nicht. Seine Botschaft ist mit den bestehenden Religionen kompatibel, da er das vom christlichen – oder sonst einem – Gott Geschaffene zur besseren Nutzung durch den Menschen empfahl: „Ich habe mir vorgenommen, den Menschen aufmerksam zu machen, dass er seine freie Gestaltungsfähigkeit, sein individuelles Ich, seine Verantwortung dem Ganzen gegenüber und die Zuversicht auf seine persönlichen gottähnlichen Möglichkeiten verloren hat und dass er all dies wiederzugewinnen hat, wenn sein Leben wieder sinnvoll werden soll. Denn dann würde der Mensch wieder gewachsen sein der Vielfalt der Ereignisse, er wäre in seinen Gedanken und Handlungen wieder ebenso vielfältig wie die Blumen, die Bäume und die unglaublichen Strukturen auf den Blättern und den eigenen Handrücken.“1 – bereits 1953 wurden Hundertwassers Handlungen von seinem Sendungsbewusstsein bestimmt, das er in seiner Kleidung und seinem Auftreten ausdrückte und damit seine Autorität durch Autorschaft (ausführlich und detailliert erläuterte Bazon Brock den sprachlichen und inhaltlichen Zusammenhang von Autor und Autorität) in und außerhalb der Kunstszene unterstützte.
Hundertwasser wollte mit seiner Druckgraphik viele Menschen erreichen, „Freude bereiten“2, „die frohe Botschaft bringen“, die er ansprechend, heiter verpackte und damit die eigene lustbetonte Stellung zum Leben vermittelte, um Partner und Mitstreiter zu gewinnen im Kampf um eine neue, bessere Welt mit ökologisch vernünftiger Architektur und einem biologischen Häusel. Dass Hundertwassers Vorstellungen von ökologischer Bauweise heutigen wissenschaftlichen Kriterien nicht standhalten, wie Marina Fischer-Kowalski in ihrem Referat ausführte, verringert nicht sein Verdienst um die Verankerung ökologischen Denkens in den Köpfen.
Im Sinne der Verantwortung nicht um die Kunst, sondern um die Menschen und die Natur nutzte Hundertwasser die zwei wichtigsten öffentlichkeitswirksamen Bildmedien, nämlich die Druckgraphik und die Wand – die „dritte Haut“ des Menschen. Die Wand dient seit der Höhlenmalerei als Medium für Magie und Kult, für Politik, Religion und Kultur, sie bietet „Lehrinhalte“, Ordnungsstrukturen und Verhaltensanweisungen: vom Altar in Pergamon bis zu Plakatwänden und besprayten Fassaden. Ein Sonderfall der Wand ist die von Hundertwasser gerne eingesetzte Säule.
In ihrer langen Geschichte wurden Druckgraphiken an öffentlichen Wänden, am Gemeindehaus, der Dorflinde angeschlagen, um allgemein rezipiert werden zu können. Die Funktionen der verbreiteten Bilder kennen wir unverändert bis heute: Heiligenbilder, Kinderfotos, Ansichtskarten von Reisen, Bilder in e-mails, öffentliche Ikonen von Che Guevara bis Barack Obama. Hundertwasser schenkte den Plakaten zu seinen Ausstellungen größtes Augenmerk, schuf Druckgraphiken seit Anfang der 1950er Jahre, gestaltete Fenster, Müllverbrennungsanlagen, Kirchen, Wohnhäuser, Autobahn-Raststationen, Museen in seiner Sprache, die gleichermaßen Architektur- wie Bildsprache ist.
Hundertwasser ging mit allen ihm zugänglichen Techniken in die Öffentlichkeit und nutzte alle Gebrauchsformen der Druckgraphik: Originalgraphiken, händische Reproduktionen eigener Arbeiten und fotomechanische Reproduktionen als Poster. Er schuf originalgraphische Lithografien, Siebdrucke, Holzschnitte, Radierungen in Zusammenarbeit mit Druckern in Paris, Venedig, Tokyo, Wien. Bei der „Reproduktion“ eigener Gemälde als Lithographien oder Siebdrucke entstanden oft im Zuge der technisch-handwerklichen Arbeit völlig neue Bilder. Dass Hundertwasser die drucktechnischen Möglichkeiten gründlich ausreizte, macht den Reiz auch seiner Plakate aus: er verwendete über den üblichen Vierfarb-Offsetdruck hinausgehend viel mehr Farben, ließ farbige Folien und Prägungen mitdrucken. Die Hochschätzung der drucktechnischen Möglichkeiten und ihre exzessive Verwendung, die besten Druck- und feinsten Bindeverfahren zeichnen auch die Bücher und Kataloge aus, die er ebenfalls als Medien der Verbreitung seiner Überzeugungen nutzte.
Hundertwassers Druckgraphik wird vielfach wegen der hohen Auflagen kritisiert, weil diese die Blätter, so die Kritiker, völlig wertlos machten. Aber im Gegensatz zur Graphik vieler Zeitgenossen aus den 1960er und 70er Jahren steigt der Preis der Hundertwasser-Graphiken kontinuierlich. Daher meinen andere, sie seien viel zu teuer; und außerdem: die Drucke stammen ja nicht von Hundertwasser selbst. Die Forderung, eine Originalgraphik müsse unbedingt vom Künstler selbst gedruckt sein, fällt philosophiegeschichtlich zurück hinter Hegel, dem nicht das Handanlegen als entscheidend galt, sondern der Geist des Künstlers, der sich im Werk ausdrückt. Die Kritik am Teamwork als Zweifel an der Autorschaft, geht an der Realität jeder künstlerischen Produktion vorbei. Und die Höhe der Auflage korrespondiert mit dem angestrebten, erhofften, erwarteten und tatsächlich realisierten Erfolg der Bilder; die Begrenzung der Auflagenhöhe der Druckgraphik ist eine Erfindung des bürgerlichen Kunstmarktes, der, wie jeder Markt, seine Ware verknappt, um den Preis in die Höhe zu treiben – Künstler, die zu hohe Auflagen produzierten, wurden von den Händlern ausgeschlossen. An die akzeptierte Auflagenhöhe von 300 Stück hielt Hundertwasser sich meistens. Schon 1962 wandte er sich gegen die Usancen am Graphikmarkt: Er verlangte die Angabe der Gesamtauflage, signierte mit Tusche und japanischem Stempel3 statt mit Bleistift. Und da er keine Lust hatte, eintönig uniforme Auflagendrucke herzustellen, ließ er Farbvarianten drucken, die er korrekt dokumentierte.
Der Erfolg gibt Hundertwasser recht: der Anteil der Druckgraphik an seinem Weltruhm kann, wie Koschatzky4 betont, kaum überschätzt werden. Druckgraphik steht als Garant der Marke Hundertwasser gleichwertig neben den Architekturen – beides Kunst für die Öffentlichkeit. Es ist bezeichnend, dass ein Freund und Sammler Hundertwassers, der auch an der Realisierung des Hundertwasser-Hauses in Wien-Weißgerber wesentlich mitbeteiligt war, der heute 95-jährige pensionierte Wiener SPÖ-Gemeinderat Josef Windisch, vor allem die Druckgraphik Hundertwassers schätzt und sammelt.
Über den ideellen und materiellen Wert seiner Druckgraphik schreibt Hundertwasser: „Daher bin ich seit 25 Jahren mehr und mehr dazu übergegangen, Graphiken und Reproduktionen so zu verfeinern und zu vervollkommnen, dass sie die Originalbilder weit an Aussagekraft, Dichte und z.T. Haltbarkeit übertreffen. Die signierten Originalgraphiken sind eigenständige Werke in Mischtechnik, die nicht kopierbar sind und wo Techniken zum Tragen kommen, die in der Malerei nicht erreichbar sind, z.B. Metallprägungen in vielen Farben, fluoreszierende und nachtleuchtende Farben, Farbtiefen durch Lasurtechniken und Glasperleneffekte. Da ich mich derart intensiv bemühte, in den Reproduktionen die Originale zu übertreffen, faktisch am Bild weiterzumalen, es zu vollenden, ist der Preis der Graphiken auch gestiegen und der der Reproduktionen, schon allein durch die aufwendige, komplizierte Drucktechnik in viel mehr Farben als üblich.“5
Am Anfang von Hundertwasser als Druckgraphiker stand eine Anregung von außen: Alfred Schmeller vom Art Club regte 1951 an, eine druckgraphische Mappe zu schaffen. Gedruckt wurde in einer neu gegründeten Büromaschinenfirma in der Annagasse, auf einer Rotaprint, einem einfachsten Gerät für Bürogebrauch. Trotzdem oder vielmehr deswegen setzte Hundertwasser eine Erweiterung durch – er verwendete eine zweite Folie, um eine zweite und dritte Farbe zu drucken. Er erkannte von Beginn an die Bedeutung des Teamworks und die Anforderungen der Technik, er war kein Maschinenstürmer, nutzte Technik gezielt und experimentell. Von allen verkauften Werken ließ er zwecks Dokumentation Klischees anfertigen, wie Peter Baum in seinem Symposionsbeitrag erzählte, sodass schon der erste in Paris gedruckte Katalog viele farbige Abbildungen enthielt. Und er arbeitete so sorgfältig, dass pro Jahr gewöhnlich nur eine Druckgraphik entstand.
In Paris druckte Hundertwasser beim Meisterdrucker Mourlot und machte sich unbeliebt, indem er in der Werkstatt mitarbeitete6, was damals absolut unüblich war. 1961 begann in Tokyo die Zusammenarbeit mit japanischen Druckern und Holzschneidern im traditionellen japanischen Holzschnitt, eines handwerklich komplizierten, arbeitsaufwendigen und arbeitsteiligen Mediums der Bildverbreitung. Hundertwasser schloss bewusst an die schon etwas antiquiert gewordene Tradition an. Er verstand diese Graphiken als „Weiterentwicklung und Krönung“7 der Malerei. Der Drucker Adachi verweigerte wegen der immer komplizierter werdenden Motive und Farbkombinationen und weil er seinen eigenen Anteil an der Arbeit nicht angemessen einbringen konnte, die Zusammenarbeit, Nakamura junior setzte fort. Ab 1971 arbeitete Hundertwasser mit dem Holzschneider Kenji Okura und dem Drucker Matashiro Uchikawa zusammen. Jedes Blatt trägt neben Hundertwassers Signatur auch die Namensstempel dieser Meister.8 Mit diesen Holzschnitten trug Hundertwasser wesentlich zu einer Wiederbelebung des japanischen Holzschnittes bei.
Ab 1968 arbeitete Hundertwasser mit dem Siebdrucker Alberto della Vecchia in Venedig, ab 1970 mit Günter Dietz in Lengmoos in Bayern zusammen. „Mit dem Seidendruck (= Siebdruck) betrete ich ein Paradies, das der Malerpinsel nicht mehr erreicht“9. Er entwickelte seine Gemälde weiter in enger Zusammenarbeit mit Druckern und anderen Spezialisten, es wurden Metallfolien und Metallprägungen, fluoreszierende Farben eingedruckt. Auch hier finden wir die detaillierten Farbangaben, die Auflistung der Farbvarianten und die Prägestempel der Drucker. „Was Hundertwasser im Gemälde einmal sagte, soll – verändert – in Graphik an viele herankommen.“10 Seit 1974 druckte Hundertwasser in der Wiener Tiefdruckerei Robert Finger, die ihre Tätigkeit kürzlich beendete. Die erste gemeinsame Radierung „Wiesenmann“ entstand für die Albertina, die Hundertwassers graphisches Werk 1974 zeigte.
Hundertwasser hat seine Druckgraphiken in Reise- und Arbeitstagebüchern und auf dem Druckpapier selber stets penibel dokumentiert. Nicht nur die Sig-nets der beteiligten Mitarbeiter, auch die verwendeten Farben sind auf die Blätter gestempelt, ebenso Auflage und Nummer des Blattes, wobei Farbvarianten niemals eine neue Zählung begründeten, wie es manche Künstlerkollegen praktizierten.
Höchst wirkungsvoll und geschätzt sind auch Hundertwassers Briefmarken (s. dazu Um:Druck Nr.7/08): Schon in einem literarisch fürchterlich schlechten Jugendgedicht11 lobte der 15-jährige die Briefmarken als erlesene Kunstwerke der Botschaft, die erst werthaltig werden, wenn sie ihren Auftrag und Zweck erfüllt haben, d.h. aufgeklebt, gestempelt (= entwertet), „befördert“ wurden – und damit zwei Botschaften, ihre eigene und die dem Poststück anvertraute, transportiert haben. Briefmarken sind Kunst für alle – denn eine Briefmarke kommt überall hin, auch in Gefängnisse und Asyle, immer bringt sie eine Mitteilung von der Welt draußen, Neues, Unbekanntes, Erfreuliches ebenso wie Unerfreuliches.
Die von ihm entworfenen Autokennzeichen sah Hundertwasser als öffentlichen Identitätsausweis. Er sah, wie sehr Bilder eine politische, kulturelle, historische Identität ausdrücken – vergleichen Sie dazu auch die Debatten über christliche Kreuze in Kindergärten und auf Berggipfeln, über die zahlreichen Doppeladler auf Regierungsgebäuden und Denkmälern im habsburgischen Wien, die Porträtfotos des Bundespräsidenten in Schul- und Amtsräumen. Bilder drücken Identität aus, vermitteln sie, bestärken sie. Da der Wert eines Bildes, sagte Hundertwasser, in den Assoziationen liegt, die es beim Betrachter auslöst, ist die Vervielfältigung wertsteigernd, da sie bei mehr Leuten mehr Assoziationen auslöst.
Ein weiteres Merkmal von Hundertwassers öffentlichkeitsbewusster Arbeitsweise sind die von ihm gefundenen Zeichen und Symbole, die er in vielen Arbeiten wiederholte, kombinierte und variierte. Wie hoch er Bildsymbole schätzte, zeigt etwa der Band „Schöne Wege“: Jedem Text sind Bildsymbole vorangesetzt, um zu zeigen, worum es geht. Er steht damit in der Tradition von Otto Neurath, allerdings schuf er, typisch Hundertwasser, verspielte, indirekte Zeichen. Er designte das Logo für die Umweltauszeichnung, die auf Zündholzschachteln ebenso erscheint wie auf den Verpackungen von Elektrogeräten – bewusstseinsbildend und entscheidungstragend. Er „designte“ Gebrauchsgegenstände: Brillen, Münzen, Aufkleber für die KronenZeitung, Uhren, Blumenvasen, Segel für Schiffe und Flugzeuge.
Hundertwasser nahm Anregungen aus fremden Kulturen auf, von allen Orten, die er bereiste, und entwickelte damit eine allgemeinverständliche, allgemeingültige Bildsprache, um seine Ideen ins Bild zu setzen und zu vermitteln. Er malte globale Bilder – aber er meinte das anders als sein Freund Yves Klein, der sein Blau sogar als „Internationales Klein Blau“ patentieren, die Welt darein hüllen lassen wollte. Und Victor Vasarély schuf seine „planetare Folklore“ aus bunten Kreisen und Quadraten, die es Menschen aller Regionen ermöglichen sollte, ihre Stimmungen auszudrücken. Klein und Vasarély suchten eine Bilder-Weltsprache, eine Universalsprache, beide sind vereinheitlichende Globalisierer. Hundertwasser dagegen wollte die Betrachter in die Energieflüsse der Natur einbinden, die Endlichkeit des Lebens respektieren. Er forderte individuelle Rechte für alle hier und jetzt, nicht erst in Kleins Unendlichkeit. Er betonte gegen die reglementierte Folklore Vasarélys den Individualismus als Pflicht und als Chance für alle. Trotz und durch seine global wirksamen Bilder war Hundertwasser Globalisierungsgegner. Er wollte die Welt verändern, indem er ihr Bilder zum Anschauen, Begreifen und Nachdenken gab. Sehen, Erkennen und Denken waren ihm eins, die massenweise Verbreitung der Bilder durch den Druck war ihm die massenweise Verbreitung der Idee.
Hundertwassers Sendungsbewusstsein und sein Verantwortungsgefühl bedingen einander: das Herstellen von Bildern war ihm ein religiöser Akt, ähnlich der Haltung der christlich-orthodoxen Kirchen zu Ikonen: nur ein Mönch durfte sie malen, und in Wien etwa war es der Druckerei der Mechitaristen vorbehalten, christliche Ikonen für den moslemisch beherrschten Balkan druckgraphisch zu vervielfältigten.
Hundertwassers Eintreten für Ökologie geschah wohl eher intuitiv, instinktiv, nicht wissenschaftlich fundiert, und es entsprach der fortschrittlichsten und nur wenigen Interessierten bekannten Geistigkeit: der Bionik, die sich in den 1950er Jahren formierte, um aus der Natur Technologien für menschliche Nutzanwendungen zu lernen, und der Warnung vor der Klimaerwärmung durch CO2, die bereits 1957 auf dem 11. Internationalen Kongress der Weltunion für Geophysik in Toronto zu hören war.
Hundertwassers Drucke bieten vielen Menschen etwas, allerdings nicht unbedingt das, was Kunsthistoriker für wichtig halten. Sie muten durch eine gewisse Kindlichkeit und, was Hundertwasser besonders schätzte, durch ihre Farbigkeit freundlich, positiv an. Die scheinbar einfache Rezeption der Bilder unterstützt die Eingängigkeit der politischen, ökologischen Ideen. Hundertwasser war Optimist: „Wir werden uns schon durchsetzen“, sagte er bei der Besetzung der Stopfenreuther Au, wie Arik Brauer erzählt. Botschaftstragende Bilder, persönlicher Einsatz und mediengerechte Verbreitung sind vielleicht nicht Garanten für den Erfolg, aber doch wirkungsvolle und erfolgversprechende Promotoren.
Hundertwassers Bildkommunikation zielte darauf ab, sich mit tatsächlichen Problemen des täglichen Lebens auseinanderzusetzen, visuelle Freuden ins Leben vieler zu bringen, mit Kunst in den Alltag einzugreifen im Sinne des Wandels und der Weiterentwicklung. Dazu bedarf es der öffentlich zugänglichen, der vervielfältigten Kunst.
Ob das dann noch Kunst im hergebrachten Sinne ist, bleibe dahingestellt – ob das angesichts einer mehrtausendjährigen Bildgeschichte wichtig ist, darf bezweifelt werden.
Anmerkungen:
1 Hundertwasser, Brief an einen Kritiker – Jörg Lampe. (1953) In: Der Unbekannte Hundertwasser. Katalog zur Ausstellung im KunstHausWien. Prestel, München 2008, S.59
2 Zur Originalgraphik. (1984) In: Hundertwasser: Schöne Wege. Gedanken über Kunst und Leben. Schriften 1943–1999. Hrsg.: Walter Schurian, Langen Müller, München 22004, S.91
3 Walter Koschatzky, unter Mitarbeit von Janine Kertész: Friedensreich Hundertwasser. Das vollständige druckgraphische Werk 1951–1986, Orell Füssli, Zürich und Schwäbisch Hall 1986, S.54
4 vgl. a.a.O., S.10
5 zit. nach: Der Unbekannte Hundertwasser, S.151 (s. Anm.1)
6 Koschatzky, Kertész: Hundertwasser, S.62, 72 (s. Anm.3)
7 a.a.O., S.52
8 a.a.O., S.140
9 a.a.O., S.106
10 a.a.O., S.158
11 vgl.: Das Geheimnis der Briefmarke, 1943. In: Hundert-wasser, Schöne Wege, S.85 (s. Anm.2)
Aus: Um:Druck – Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur, Nummer 10, Februar 2009, Seite 12 ff.
Hallo, was soll das handsignierte Blatt kosten ?
Mit freundlichen Grüßen
B.W.