Kategorien Archiv: Allgemein

Zeit zu drucken 2 – Ergebnisse des Artists in Residence Programms der Giesecke+Devrient Stiftung 2021/22

Gezeigt werden die Ergebnisse der jeweils vierwöchigen Arbeitsaufenthalte im Museum für Druckkunst von Marina Božić, Philipp Hennevogl, Hyewon Jang, Greta Magyar und Maria Sainz Rueda. Es werden weitere unabhängige Werke, die das künstlerische Schaffen der Artists in Residence zeigen, präsentiert.
Das Programm „Artist in Residence“ wurde vom Museum für Druckkunst bereits zum zweiten Mal gemeinsam mit der Giesecke+Devrient durchgeführt.

Eröffnung: Donnerstag, den 3.3.2022 als Soft-Opening von 17 – 20 Uhr

Ausstellungsdauer: 4. März 2022 – 12. Juni 2021

Unter dem Radar – Originalgrafische Kunstplakate aus Ostdeutschland seit 1975

Werbung für Kunst durch Kunst machten seit den 1970er Jahren verstärkt originalgrafische Plakate, die in einer Auflage von bis zu 100 Exemplaren in der DDR keiner Genehmigungspflicht unterlagen. Die Ausstellung widmet sich nun erstmals diesen einzigartigen und bisher wenig beachteten visuellen Quellen druckkünstlerischen Schaffens jenseits staatlich gelenkter Kultur.

Ausgehend von rund 100 originalgrafischen Kunstplakaten aus der Sammlung der Leipziger Galerie am Sachsenplatz, ergänzt durch weitere Leihgaben, gibt das Museum für Druckkunst Leipzig einen ganz speziellen Einblick in das umfangreiche druckgrafische Schaffen in Ostdeutschland. Die Schau richtet zum einen den Blick auf Künstlerinnen und Künstler, die in der DDR hauptsächlich druckgrafisch tätig waren, und zeigt deren Entwicklung im vereinten Deutschland auf.

 

Ausstellung vom 5.12.2021 bis 18.4.2022 im Museum für Druckkunst

Mehr Informationen:
https://www.druckkunst-museum.de/de/termin/unter-dem-radar.html

Begleitprogramm

  • Öffentliche Führungen jeweils sonntags, 12 Uhr:
    30.1., 13.2., 6.3., 20.3. + 3.4.
  • Führung 60+, dienstags, 15 Uhr:
    18.1., 22.2., 15.3. + 12.4.2022
    (ermäßigter Eintritt für Besucher ab 60 Jahren)

From Futura to the Future. International Letterpress Workers.

From Futura to the Future. International Letterpress Workers – Ausstellung vom 4. Oktober bis 29. August 2021

Internationale Typografie entdecken – Künstler*innenworkshop und Ausstellung

Ausstellungseröffnung: 1.+2. Oktober jeweils 17 bis 20 Uhr in Anwesenheit zahlreicher Letterpress Workers, die den Besucher*innen für Fragen und Austausch zur Verfügung stehen

Die Ausstellung zeigt ausgewählte Werke von internationalen Typograf*innen, Grafikdesigner*innen, Kalligraf*innen und Steindrucker*innen, die in der Tradition des Bauhaus die Typografie als Mittel der Information, des Designs und der Kunst verwenden. Im Museum für Druckkunst wird erstmals ein Überblick der acht Jahre intensiver typografisch-künstlerischer Zusammenarbeit präsentiert.

Seit 2012 trifft sich die Gruppe der Letterpress Workers jährlich zu einem Workshop in Mailand, um gemeinsam zu einem vorher festgelegten Thema zu arbeiten. So reichen die Themen der ausgestellten Werke von „A world without electricity“ (2012) über „Let’s dance“ (2015) bis hin zu aktuellen politischen Themen wie zum Beispiel „Borders“ (2014) oder „True/False“ (2019).

Zusätzlich werden weitere unabhängige typografische Werke, die in den Werkstätten der Letterpress Workers unter Verwendung des historischen Materials der Blei- und Holzlettern entstanden sind, gezeigt.

35. Leipziger Grafikbörse „PARADOX“

Ausstellung zu zeitgenössischer Druckgrafik von 100 Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und Gästen.

30. November 2018 bis 27. Januar 2019 im Museum für Druckkunst Leipzig

Bereits zum vierten Mal gastiert die nunmehr 35. Ausgabe der Leipziger Grafikbörse im Museum für Druckkunst Leipzig. Unter dem Thema PARADOX ist zeitgenössische Druckgrafik in verschiedensten Techniken von Künstlerinnen und Künstlern vornehmlich aus dem mitteldeutschen Raum zu sehen.

„Paradox“ – längst ist das Adjektiv mit griechisch-lateinischer Wurzel zum Bestandteil der Umgangssprache geworden. Mit ihm werden sich scheinbar einander widersprechende Aussagen, Zustände und Befindlichkeiten bezeichnet, die der geläufigen Meinung entgegenstehen, verwirrend, grotesk und absurd erscheinen.

Darauf bezugnehmend folgten 100 Künstlerinnen und Künstler der Einladung des Vereins Leipziger Grafikbörse e.V. zur Ausstellungsbeteiligung. Die Künstler stammen überwiegend aus den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Stadt Leipzig bildet einen Schwerpunkt. Unter den Teilnehmern sind Altmeister wie Karl-Georg Hirsch oder Rolf Münzner sowie Vertreter der mittleren Generation, junge Künstlerinnen und Künstler und Studierende. Hinzu kommen Gäste bspw. aus Köln und Holland. Sie alle gestalteten Werke in den unterschiedlichsten druckgrafischen Techniken.

Mehr Informationen: https://www.druckkunst-museum.de/de/termin/id-35-leipziger-grafikboerse-paradox.html

 

Auf nach Finnland. Finnische Plakate seit 1853

Ausstellung im Museum für Druckkunst Leipzig

28. Januar – 15. April 2018

„Auf nach Finnland“ nimmt den Besucher mit auf eine Reise in die Plakatkunst. Unberührte Natur, urbane Städte wie Helsinki oder eine Winterlandschaft werben auf 80 Plakaten in leuchtenden Farben zur Reise in ein noch unbekanntes Land. In druckgrafischer Meisterleistung wurden Wälder, Seen, Städte, landestypische Tiere und traditionelle Kleidung in Drucktechniken wie der Farblithografie und im Stil der Zeit wiedergegeben. Die Gestaltung der Plakate übernahmen dabei Künstler aus Finnland aber auch aus Deutschland, wie Adolf Bock, Alfred Mahlau und Wilhelm Hanken. Der Reiseschriftsteller Magnus Londen erzählt mit seiner Ausstellung über die Geschichte des Plakates und wie es als Mittel zur Kommunikation für die junge Nation Finnland, Besucher aus aller Welt anlockte und begeisterte.

Begleitprogramm:

Öffentliche Führungen, sonntags, 12 Uhr: 28.01., 25.02., 18.03., 15.04.18

Führungen 60+, dienstags, 15 Uhr: 06.02. und 10.04.18

www.druckkunst-museum.de

Sabine Golde. Künstlerbücher carivari

Ausstellung im Museum für Druckkunst Leipzig

03. Novembers 2017 – 25. März 2018

Carivari wurde 1992 in Leipzig gegründet und seither sind die Arbeiten in Ausstellungen und Messen im In- und Ausland zu sehen.

Das Buch als Bühne, auf der Worte inszeniert werden. Es ist ein Behältnis, um Ideen und Gedanken zu versammeln, einen Kontext zwischen Wort und Bild zu schaffen und als Objekt haptisch und optisch fassbar zu machen.

Eine Inspiration ist die zeitgenössische Musik. Es entstanden Ausgaben zu Texten und Kompositionen von John Cage + Erik Satie. Andere Themen sind Lyrik, philosophische Essays und naturwissenschaftliche Exkurse in der Edition ed.LOG.

Menetekel-dt. hebr. Bibeltext, Gedicht von Hans Magnus Enzensberger, 2008 ©Sabine Golde

Begleitprogramm:

Öffentliche Führungen: sonntags, 12 Uhr: 26.11.17, 14.1.18, 11.03.18

Führungen 60+: dienstags, 15 Uhr: 14.11.17 (Ganztags ermäßigter Eintritt für Besucher 60+)

www.druckkunst-museum.de

Günther Uecker – Huldigung an Hafez

Ausstellung im Museum für Druckkunst Leipzig

22. Oktober 2017 bis 14. Januar 2018

Aus dem Werkzyklus Huldigung an Hafez © 2016 Guenther Uecker, Kunstverlag Till Breckner; Fotos Ivo Faber

Günther Uecker zählt zu den bedeutendsten und international bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart. Neben seinen Nagel-Objekten befasst er sich bereits seit den 1970er Jahren mit der Verwandlung von Texten in geschriebene Bilder. Vor allem Schriften aus außereuropäischen Ländern inspirierten ihn. Seit 2013 beschäftigte er sich mit dem Werk des persischen Dichters und Mystikers Hafez und schuf einen 42-teiligen Werkzyklus. Die Sieb-, Präge- und Sanddrucke werden ergänzt durch vollständige Ghaselen (eine poetische Versform) aus Hafez‘ Diwan auf Persisch und vom Künstler ausgewählte und handschriftlich umgesetzte Zitate auf Deutsch. Dabei wurden Wörter zu Farben und ruhige Blätter wechseln sich mit intensiven ab.

Mit „Huldigung an Hafez“ schuf Uecker nicht nur ein ausdrucksstarkes druckgrafisches Werk, sondern auch ein Plädoyer für die Wahrnehmung fremder Kulturen und vor allem eine Unterstreichung des Gemeinsamen, Verbindenden zwischen allen Kulturen.

 

Aus dem Werkzyklus Huldigung an Hafez © 2016 Guenther Uecker, Kunstverlag Till Breckner; Fotos Ivo Faber

Begleitprogramm:

Öffentliche Führungen: sonntags, 12 Uhr: 22.10.17, 19.11.17, 7.1.18

Führungen 60+: dienstags, 15 Uhr: 24.10.17 (Ganztags ermäßigter Eintritt für Besucher 60+)

www.druckkunst-museum.de

Auf den Spuren von Käthe Kollwitz in Berlin anlässlich ihres 150. Geburtstages

In diesem Jahr wird in verschiedenen Veranstaltungen und zwei Ausstellungen in Berlin des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz gedacht.

Von Volkhard Böhm

Am letzten Augustsonntag diesen Jahres, einem sonnigen, heißen Tag besuche ich Käthe Kollwitz auf dem seit 1881 angelegten städtischen Zentralfriedhof Friedrichsfelde im Berliner Bezirk Lichtenberg. Weniger bekannt ist, dass auf dieser auch Sozialistenfriedhof genannten Begräbnisstätte neben sozialdemokratischen und kommunistischen Funktionären, Antifaschisten, Funktionären des real existierenden Sozialismus und vielen unbekannten Bürgern Berlins auch eine ganze Reihe KünstlerInnen begraben liegen.

Am 8. Juli 1867 wurde sie als Käthe Schmidt in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, geboren. Früh begeisterte sie sich für die bildende Kunst. Folgerichtig ging sie von 1886 bis 1887 als Schülerin an die Künstlerinnenschule des Vereins Berliner Künstlerinnen nach Berlin. Dieser Verein ist die älteste heute noch existierende Vereinigung bildender Künstlerinnen in Deutschland. In diesem Jahr begeht der Verein das 150. Jubiläum seiner Gründung. 1868 wurde die Zeichen- und Malschule auf akademischem Niveau im Seitenflügel der Potsdamer Straße 98 A gegründet. Das war notwendig, durften doch Frauen, die sogenannten „Malweiber“ noch bis in das 20. Jahrhundert hinein nicht an Kunstakademien studieren.

Das Haus, in dem seit 2009 die „Alexander und Renata Camaro Stiftung“ wirkt, wurde 1893 im Auftrag des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen (VdBK) und des Viktoria-Lyzeums für die akademische Weiterbildung von Frauen erbaut und bis 1911 genutzt. Vom 26. November 2016 bis zum 24. März diesen Jahres zeigte dort der VdBK den ersten Teil seiner Ausstellungsreihe „FORTSETZUNG FOLGT!“. Ausgestellt waren eine Reihe von Werken bekannter und weniger bekannter Künstlerinnen, die an diesem Ort bis 1945 gelernt und gelehrt hatten.

Es war für mich ein eigenartiges Gefühl, als ich an einem Märznachmittag diese Ausstellung besuchte und in dem großen vom Oberlicht durchfluteten ehemaligen Akt- und Zeichensaal stand. Ringsum hingen die Werke der Künstlerinnen, darunter von Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker (1876–1907), die hier elf Jahre nach jener ihre Ausbildung begann. Man konnte sich die Staffeleien vorstellen, die zeichnenden Künstlerinnen dahinter, das leise Rascheln von Papier und das kratzende Geräusch der Zeichenstifte. Diese Malschule hatte schnell einen sehr guten Ruf. Dazu trug später auch Käthe Kollwitz bei. Von 1898 bis 1903 hatte sie hier einen Lehrauftrag in Graphik und Zeichnen.

Ihr Studium hatte sie von 1888 bis 1890 an der Münchener Künstlerinnenschule fortgesetzt, 1891 heiratete sie den Arzt Karl Kollwitz und gemeinsam zogen sie in den Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg, in ein Eckhaus der damaligen Weißenburger Straße direkt am damaligen Wörther Platz (Straße und Platz sind seit 1947 nach ihr benannt). Hier lebte sie mehr als 52 Jahre bis 1943. In den letzten Kriegstagen wurde das Haus fast vollständig zerstört. Wie so vieles in diesem Land ging damit auch die Lebenswelt der Käthe Kollwitz, das Inventar, die noch eingelagerten Kunstwerke, verloren. Inzwischen ist das Eckgrundstück neu bebaut. An dem Neubau, heute Kollwitzstraße 56 A, verweist eine große Schautafel auf die frühere Bewohnerin und das Käthe-Kollwitz-Museum in Charlottenburg.

1892 wurde der Sohn Hans geboren. Im folgenden Jahr hatte sie mit dem graphischen Zyklus „Ein Weberaufstand“, der bis 1898 entstand, ihren künstlerischen Durchbruch. Er wurde angeregt durch den Besuch der Uraufführung von Gerhard Hauptmanns „Die Weber“. Dieser Zyklus und die folgenden Werke begründen den Ruf der Künstlerin als einzigartige Darstellerin von Leid und Mitleiden des Menschen, in ihrer Hinwendung zu den Ärmsten und Drangsaliertesten der Gesellschaft. Ohne jegliches Pathos mit minimalen Mitteln stellte sie Ihre Themen dar. An der Hinwendung zu diesem, ihrem Thema hat sicher die Tätigkeit ihres Mannes, Armenarzt in einem proletarischen Viertel, viel zu tun. In die Zeit der Entstehung des genannten Bildzyklusses fällt auch die Geburt ihres zweiten Sohnes, Peter, 1898.

1914 erfuhr ihr Leben eine entscheidende Zäsur. Beide Söhne meldeten sich als Kriegsfreiwillige. Sie fühlten sich verpflichtet, das Vaterland zu retten. Während Karl Kollwitz, der Vater, strikt gegen den Krieg war, nahm Käthe Kollwitz eine ambivalente Haltung ein. Der nationalistische Taumel, den das Land erfasst hatte, ist auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen und so stützte sie die Söhne in ihrer Entscheidung.

Als Peter mit 18 Jahren schon am zweiten Tag als Kriegsfreiwilliger in Flandern fiel, war sie bis ins Mark erschüttert und wurde nun auch zu der Künstlerin, die sich vehement und mit einer beeindruckenden Ausdrucksstärke gegen Krieg und jegliche Gewalt wendete.

1937 bis 1938 inspirierte sie der sinnlose Tod des Sohnes zu einer Pieta-Darstellung. Die Bronze stellt eine Mutter mit ihrem toten Sohn dar, der in ihrem Schoß liegt. „Ich arbeite an der kleinen Plastik, die hervorgegangen ist aus dem plastischen Versuch, den alten Menschen zu machen. Es ist nun so etwas wie eine Pieta geworden. Die Mutter sitzt und hat den toten Sohn zwischen ihren Knien im Schoß liegen. Es ist nicht mehr Schmerz, sondern Nachsinnen.“ (Tagebücher, 22. Oktober 1937). Nachsinnen darüber, „dass der Sohn nicht angenommen wurde von den Menschen. Sie ist eine alte einsame und dunkel nachsinnende Frau.“ (Tagebücher, Dezember 1939).

Helmut Kohl, damals noch Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, sorgte 1993 dafür, dass diese Figurengruppe in einer vergrößerten Fassung im rekonstruierten Innenraum von Schinkels Neuer Wache in Berlin Unter den Linden aufgestellt wurde. Vor der Skulptur „Mutter mit totem Sohn“ von Käthe Kollwitz, auch Pieta genannt, ist der Schriftzug „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ in den Boden eingelassen. Die Urnen des unbekannten Widerstandskämpfers und des unbekannten Soldaten befinden sich unter der Gedenkplatte aus schwarzem Granit. Lebens- und Schaffensmotto der Kollwitz hätten sinnfälliger nicht werden können.

Als sie 1920 den soeben erschienenen Roman „Die echten Sedemunds“ ihres Freundes und Künstlerkollegen Ernst Barlach (1870–1838) gelesen hatte, vermerkte sie: „Ein tief neidisches Empfinden, dass Barlach so viel stärker ist als ich.“ Dieser hätte wohl über ihr Werk das Gleiche gesagt. Im Empfinden für das Leid und Erleiden sind sie zutiefst verbunden: Barlach eher in der Darstellung eines bäuerlichen Menschentypus, die Kollwitz eher eines plebejischen Typus. Beide verehrten einander. Barlach hatte seiner Skulptur „Schwebender Engel“ von 1927 im Güstrower Dom das Gesicht von Käthe Kollwitz gegeben. Sie stand selbstbewusst, obwohl inzwischen genauso als entartet verfemt und mit dem nationalsozialistischen Bann belegt wie er, bei seiner Beerdigung 1938 an seinem Grab.

Am 22. April 1945 starb sie, wenige Tage vor Ende des Krieges, in Moritzburg bei Dresden. Sie wurde im Familiengrab in Friedrichsfelde beigesetzt, neben Bruder Konrad Schmidt und dessen Frau, dem Mann ihrer jüngeren Schwester Georg Stern (1867–1934) und ihrem eigenen Mann, der bereits 1940 verstorben war. Das Bronzerelief für das Grab hatte sie 1936 geschaffen, angeregt von dem Goethewort aus dem „West-östlichen Divan“ „Ruht im Frieden seiner Hände“. Das Grab befindet sich am Ende der Künstlergräber links des Hauptweges. Auf dem Grab davor ist einer ihrer Freunde, der Maler Otto Nagel (1894–1976) mit seiner Frau bestattet. Schräg gegenüber ruht der fast vergessene jüdische Graphiker Leo Haas (1901–1983), der die Gräuel der Konzentrationslager überlebte und dort zu der Gruppe der „Maler von Theresienstadt“ gehörte. Vor allem seine Zeichnungen und Graphiken aus dieser Zeit haben viel Gemeinsames mit der Sprachgewalt des Werkes der Kollwitz.

Ende der 1990er Jahre schenkte mir Walter Graetz, der langjährige Leiter der Druckerei Graetz in der Berliner Auguststraße 26 ein Reprint eines Plakates von Käthe Kollwitz. 1906 hatte sie dieses Plakat für die „Deutsche Heimarbeit Ausstellung“ bei Graetz auf den Stein gezeichnet. Walter Graetz’ Großvater, Rudolph Graetz, hatte 1898 die „Lithographie, Buch- und Steindruckerei“ eingerichtet, die sich bald einen Namen mit ihren hochwertigen Drucken machte. Vor allem in der DDR ließen hier viele KünstlerInnen ihre originalen Offsetgraphiken und Plakate drucken. Auch Käthe Kollwitz hatte hier viele ihrer Plakate drucken lassen.

Bevor ich an diesem Augusttag den Friedhof verlasse, besuche ich noch die Gräber der „Sozialisten“. Dort liegt auch Karl Liebknecht. Erschüttert von dessen Ermordung widmete Käthe Kollwitz ihm eine Gedenkgraphik. Diese ist ein schönes Beispiel für die intensive aber auch konsequente Arbeitsweise der Künstlerin. Die Ausführungen als Radierung und Lithographie verwirft sie im Schaffensprozess. Erst der Holzschnitt erreicht eine Wirkung, die ihn über ein reines Gedenkblatt zur Darstellung tiefster Trauer und intensivster Mahnung erhebt.

Unmittelbar nach dem Krieg wurden ihre Persönlichkeit und ihr Werk gewürdigt. Die Straße, in der sie so lange gelebt hat, und der Platz, an dem ihr Wohnhaus stand, wurden nach ihr benannt. 1961 wurde dann das von ihrem Freund, dem Bildhauer Gustav Seitz, geschaffene Denkmal (1958) auf dem Platz aufgestellt. Sie sitzt still da, auf ihrem Sockel, in die Ferne schauend, die aufgestellte Zeichenmappe mit der linken Hand haltend, drumherum das Grün der Bäume, davor die spielenden Kinder auf dem Spielplatz. Und hin und wieder klettert eines der Kinder zu ihr hoch oder wird von der Mutter der Kollwitz hinaufgereicht.

Zwei Ausstellungen sind zu empfehlen (Die Neue Wache, Unter den Linden, ist leider z. Zt. wegen Bauarbeiten nicht zugänglich.):

  • „Käthe Kollwitz und Berlin“, noch bis 24. September 2017 in der Galerie Parterre, 10405 Berlin, Danziger Str. 101, berlin.de/ba-pankow/kunstundkultur; in dieser Ausstellung sind v. a. Werke aus dem Käthe-Kollwitz-Museum Köln zu sehen, der umfangreiche Katalog erweitert mit seinen informativen, z. T. sehr persönlich gehaltenen Beiträgen die Sicht auf Käthe Kollwitz.
  • „Käthe Kollwitz und ihre Freunde“, noch bis zum 15. Oktober 2017, Käthe-Kollwitz-Museum, 10719 Berlin, Fasanenstr. 24, kaethe-kollwitz.de; eine sehenswerte Ausstellung, z. T. mit erstmalig ausgestellten Werken aus den Sammlungen von Freunden.

W. Buchta und K. Planegger: Das Buch Hiob

Über die Präsentation des außergewöhnlichen Künstlerbuches der beiden Wiener Künstler Wolfgang Buchta und Konrad Planegger in Berlin berichtet Volkhard Böhm

Im Jahr 2013 schrieb ich im Um:Druck, der damals noch als Printausgabe erschienen ist, über einen Besuch in der AKG Berlin, einer Produzentengalerie, die sich auch heute noch wie eine Enklave österreichischer Kunst in der Wilhelm-Stolze-Straße 31, inmitten von Berlin-Friedrichshain, befindet. Gegründet von den beiden KünstlerInnen Andre E. Steinhausen und Jasna Herger, vereint die Galerie nach wie vor Produzentengalerie und Druckwerkstatt. Diese Kombination bedingt den Ausstellungsschwerpunkt Druckgraphik. Jasna Herger ist inzwischen aus der kleinen Betreibergesellschaft ausgeschieden. Ein Trägerverein befindet sich in Gründung.

Vom 12. Januar bis zum 10. März 2017 wurde hier das umfangreiche Künstlerbuchprojekt zum biblischen Buch Hiob der beiden Wiener Künstler Wolfgang Buchta und Konrad Planegger ausgestellt. Beide sind Jahrgang 1958 und haben an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Buchta gehörte seinerzeit bereits zum Künstlerstamm der Galerie und hat sich schon mit einer Reihe ähnlicher Buchprojekte einen Namen gemacht.

2012 beschlossen die beiden Graphiker, das gemeinsame Projekt eines originalgraphischen Künstlerbuches zum biblischen Buch Hiob anzugehen. Im Folgejahr begannen sie mit den Arbeiten an dem Buch nach der Originalübersetzung von Martin Luther in folgenden Techniken: Radierung, geätzt und als Kaltnadel, Farblithographie, Offsetdruck und Aquarell. Nach dem frühen Tod von Konrad Planegger im Jahr 2014 stellte Wolfgang Buchta das Werk im vergangenen Jahr allein fertig. Die bis dahin vorliegenden Zeichnungen und Entwurfskizzen wurden über Offset ins Gesamtwerk eingefügt. Durch diese erzwungene Terminierung und durch die heurige Premierenausstellung in Deutschland kann man das Buch auch als einen Beitrag zum diesjährigen Reformationsjubiläum sehen, das in der Ausrichtung mehr ein Lutherjubiläum wird. Und die Ausstellung ist gleichzeitig eine Gedächtnisausstellung für Konrad Planegger.

Entstanden ist ein äußerlich schlichtes, aber innen um so opulenteres Werk, in dem sich die unterschiedlichen Gestaltungselemente der beiden Künstler teilweise zu einer kongenialen Symbiose verbinden, manchmal aber auch im einander widersprechenden Ausdruck auseinanderstreben. Das oft verwirrende Liniengeflecht Buchtas und seine exaltiert-plastische Figürlichkeit mit ihrer betonten Konturenzeichnung stehen in einer eindrücklichen Spannung zur sensibel-zeichnerischen und atmosphärischen Figürlichkeit Planeggers, verbunden sind beide Gestaltungen durch die expressive Grundhaltung beider. Während Buchtas Figurenbildung in seiner ausdrucksstarken Gestik und surrealen Abstraktion auf Einflüssen der Wiener Schule des Phantastischen Realismus fußt, stehen die Figuren Planeggers in ihrer zerfließenden Form eher in der Tradition eines expressiven Realismus. Der Text ist in Dunkelrot gedruckt, die meisten Graphiken in vier Farben.

Das Buch Hiob gehört zu den Lehr- oder poetischen Büchern, die erst in nachexilischer Zeit in den Kanon des Alten Testaments aufgenommen worden sind. Diese Bücher, auch als Weisheitsbücher bezeichnet, sollten vorrangig der Belehrung, aber auch der Erbauung dienen, in denen sich Alltagserfahrungen mit dem Wissen um Gott verbinden. Im Buch Hiob geht es um den uralten und ewigen Zweifel, ob das Leid in der Welt sinnhaft ist. Warum Gott das Leiden Unschuldiger zulässt. Oder ganz banal und allgemeingültig um die Frage: Wodurch oder womit haben wir/habe ich dieses oder jenes Schicksal verdient? So fragt Hiob immer wieder: Warum? „Dieses Buch ist“ für Heinrich Heine „das Hohelied der Skepsis, und es zischen und pfeifen darin die entsetzlichen Schlangen ihr ewiges: Warum?“[1]

Erzählt wird von den vielen Schicksalsschlägen, die Hiob erleiden muss, und von seinen Gesprächen mit Freunden, in denen er um die Lösung dieser Frage ringt. Nimmt er anfangs alles als gottgegeben an – „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen.“[2] – überkommen ihn mehr und mehr Zweifel oder die Ver-zweiflung. „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin … Jener Tag sei Finsternis, und Gott droben frage nicht nach ihm! Kein Glanz soll über ihm scheinen …“[3] Im späteren Gespräch mit den Freunden wird es noch deutlicher: „Warum leben denn die Ruchlosen, werden alt und nehmen zu mit Gütern.“[4] „Ja, wie der Mensch, wenn er leidet, sich ausweinen muß, so muß er sich auch auszweifeln, wenn er sich grausam gekränkt fühlt“, fasst es Heinrich Heine zusammen.[5] Für den Philosophen Ernst Bloch machte solch ein Leiden, wie hier von Hiob, „vielleicht weniger edel, doch es machte aufrecht und fragend.“[6]

Aber erst Gott selbst offenbart Hiob im biblischen Text die Lösung, dass hinter all seinem Handeln seine Weisheit, sein Wissen um das große Ganze steht, auch wenn der Mensch all das nicht immer begreifen kann. Und Hiob erkennt: „Ich erkenne, daß du alles vermagst, und nichts, daß du dir vorgenommen, ist dir zu schwer.“[7] Es ist die Einsicht des Menschen, er könne und wisse nicht alles. Eine Einsicht, die der Menschheit allzu oft verloren geht.

„Es ist der Irrtum derer auszuschließen, die aus den Übeln der Welt folgern, daß Gott nichts ist … Sie fragen: Wenn Gott ist, woher dann das Übel? Aber man muß sagen: Wenn es das Übel gibt, dann gibt es Gott. Denn das Übel wäre nicht, wenn die Ordnung des Guten nicht bestünde, dessen Beraubung das Übel ist. Diese Ordnung wäre aber nicht, wenn Gott nicht wäre.“[8] – fasst es Thomas von Aquin für die Gottgläubigen zusammen. Die Hiob-Geschichte findet sich nicht nur in dem für das Judentum und Christentum relevanten Alten Testament, sie findet sich auch im Koran. Dort ist Hiob ein Prophet namens Ayyub.

Hiob besteht schließlich die Prüfung durch den Satan, dem Gott freie Hand ließ und bekommt alles Verlorene doppelt zurück mit dem Fazit: „Ende gut, alles gut“, oder „Man soll nie verzweifeln oder die Hoffnung aufgeben.“ Ganz so zufrieden kann mich die Geschichte nicht machen, denn die Toten bleiben tot. Und ganz so leicht ist die Leidensfrage generell wohl doch nicht zu lösen, wie es auch der jüdische Philosoph Hans Jonas feststellt: „Die Hiobsfrage war seit je die Hauptfrage der Theodizee – der allgemeinen wegen der Existenz des Übels in der Welt überhaupt, der besonderen in der Verschärfung durch das Rätsel der Erwählung …“[9] Aber ist diese Frage des Hiobsbuches in ihrer Grundsätzlichkeit über die Theodizee hinaus nicht für die gesamte Menschheit zu stellen und ewig aktuell? Das ist sicher ein Grund, warum sich Künstler wie Buchta und Planegger für dieses Thema interessieren.

Das Buch Hiob besteht aus einer Prosaerzählung und einer Dichtung mit Gesprächen und Reden. Das gesamte Buch ist in einer kunstvoll dichterischen Sprache verfasst. „Weit muß sich der Dichter umgetan haben, seine Sprache ist die reichste im Alten Testament.“ – so Ernst Bloch.[10] Was vermutlich einer der Gründe ist, warum es immer wieder Künstler verschiedener Genres angeregt hat, sich mit unterschiedlichen Motiven aus dem Buch zu befassen; angefangen von den Darstellungen in den Calixt-Katakomben über Bibelillustrationen, bis zu Rembrandt oder Barlach. Auch mich hat die Sprache beim Lesen des Buches fasziniert, obwohl mich andererseits die Langatmigkeit und die vielen Wiederholungen störten.

Während Luther auf der Wartburg 1521/22 allein das Neue Testament aus dem Lateinischen und Griechischen in die deutsche Sprache, das eigentliche Frühneuhochdeutsch, übersetzte, bevor es in der Nachbearbeitung durch Melanchthon und andere dann erstmals als „Septembertestament“ im Druck erschien, haben an den Büchern des Alten Testaments unter der Regie von Luther als Endverfasser von Anfang an verschiedene Fachleute mitgewirkt. Vermutet werden unter anderem nach einer Information des Zeitgenossen Johannes Mathesius neben Melanchthon auch Caspar Cruciger der Ältere, Jakob Ben Chajin, Johannes Buggenhagen oder Caspar Aquila. Das Buch Hiob gehört zu weiteren Büchern, die im Oktober 1524 als Erste fertiggestellt wurden. 1534 erschien das gesamte Alte Testament als Gesamtausgabe gemeinsam mit dem Neuen Testament in gedruckter Form. Es ist die erste vollständige Bibelausgabe in der Übersetzung Martin Luthers, einschließlich der Vorreden zu den biblischen Büchern und Randglossen, versehen mit Holzschnitten aus der Werkstatt von Lucas Cranach, an deren Gestaltung Luther selbst mitgewirkt hat.

Es ist diese Fassung, ebenso im Frühneuhochdeutsch, auf die sich Wolfgang Buchta und Konrad Planegger beziehen. Den Text schrieb Wolfgang Buchta mit der Hand als fortlaufenden Textkörper in der Tradition mittelalterlicher Scriptorien. Das war damals, wie auch bei Buchta heute, eine bewundernswerte Zeitarbeit. Über Offset wird dieser Text dann in die gedruckte Form übertragen und dann partienweise, mal mittig, mal seitlich, auf den Buchseiten angeordnet. Hierin, wie auch in der zeichnerisch-figürlichen Umrandung der Texte, in der farbigen Fassung, im Einsatz von Goldflächen folgen die Künstler in Teilen der Tradition der frühen prunkvollen Bibelhandschriften und Gebetsbücher, wie auch den späteren Bilderbibeln.

Nur wer hier konkrete Illustrationen zu einzelnen Textstellen erwartet, wird enttäuscht. Eigentlich nur einmal wird in der Anordnung der Tradition direkt gefolgt, nämlich in der Umrandung des Textanfangs durch Wolfgang Buchta, mit seiner surrealen Bildphantastik, in der Gestaltungselemente der Wiener Schule, der Gorgonendarstellung, konkret der Medusa, weiterklingen. Dann erscheint zwar noch durchgängig, in der Form Wolfgang Buchtas, in der hockenden oder sitzenden Figur des gepeinigten Hiob und der Anzahl der Figuren in einem Bild, ein direkter Bezug zu einer Textstelle, generell aber spiegeln die Illustrationen mehr den inhaltlichen Gesamtcharakter des Buches von Leid, Verzweiflung, Enttäuschung und Widerstehen. Am deutlichsten wird das in den Darstellungen Buchtas, in denen seine Figuren in einem Liniengeflecht wie in einem Dornengestrüpp gefangen sind. In gänzlich komprimierter Form aber begegnet es dem Betrachter in der mehrmals wiederkehrenden, gleichsam von vielen Figuren durchdrungenen, heftig gestikulierenden Figur Planeggers.

Aber auch die dem Buch zugrundeliegende Fragestellung von wahrer oder falscher Freundschaft – letztere redet eher der Obrigkeit zu Munde als dass sie dem Freunde beisteht (siehe Abb. zu Hiob 15,4-17,9) – kommt verallgemeinernd in der Darstellung der drei Freunde Hiobs wieder; oder die Frage nach der Gerechtigkeit in der Welt und dem Aufbegehren gegen die Ungerechtigkeit, hinter der der Mut steht, sich hier gegen Gott oder verallgemeinert gegen das Schicksal oder jede Obrigkeit aufzulehnen.

Das Buch Hiob zeichnet über die Leidensgeschichte hinaus das Bild vom rechtschaffenen Menschen in einer ungerechten Welt, in der aber, und das ist die zeitlos aktuelle Botschaft, Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Wobei uns die Vernunft und unser tägliches Erleben zeigen, dass es nicht immer möglich ist.

Dieser Botschaft spüren die beiden Künstler in ihrer Version des Buches nach, indem sie mit ihren Bildern in einen Dialog mit dem Text treten. Bilder des Wortes werden zu bildmächtigen Welten.

[1] Heinrich Heine, in: Zu Ludwig Marcus. Denkworte, 1844/1854

[2] Das Buch Hiob 2,10

[3] A.a.O. 3,3/4

[4] A.a.O. 21,7

[5] Heinrich Heine, ebenda (Anm.1)

[6] Ernst Bloch (1885-1977), in: Atheismus und Christentum. Zur Religion des Exodus und des Reichs, 1968

[7] Das Buch Hiob 42,2

[8] Thomas von Aquin, in: Summa contra gentiles

[9] Hans Jonas (1903-1993), in: Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme, 1987

[10] Ernst Bloch, ebenda

 

Zeitgenössische japanische Holzschnitte in Innsbruck

Vom 14. September bis 8. Oktober 2016 zeigte die Galerie Nothburga in Innsbruck zeitgenössische japanische Holzschnitte. Ein Rückblick von Manfred Egger

 

Im Jahr 2007 wurde ich im Rahmen der 5th KIWA International Woodprint Exhibition ins Kyoto City Museum zur Verleihung des Kyoto Shimbun Preises eingeladen. Dort, in der Ausstellung selbst und im Laufe der nächsten Tage, durfte ich das Team um Richard Steiner (Tosai)* und seine Frau Kimiko, die hauptverantwortlich für die KIWA-Ausstellungen zeichnen, kennenlernen. Neben den vielen allgemeinen kulturellen Impressionen, die Kyoto bietet (ehemalige Hauptstadt/Residenzstadt Japans mit immer noch zahlreichen Relikten aus dieser Periode, Stadt der tausend Tempel, Stadt der Kimono-tragenden Frauen etc.) gewann ich gleichzeitig einen Einblick in die Organisation und die Arbeitsweise von KIWA.

Ziel von KIWA ist, einen möglichst breit angelegten Austausch von HolzschneiderInnen aus aller Welt anzuregen und zu pflegen. Dazu wird alle drei bis vier Jahre eine große Ausstellung in Kyoto organisiert und aus den Einsendungen aus aller Welt werden jeweils 200 bis 250 Arbeiten ausgestellt. Alle einsendenden KünstlerInnen scheinen im Katalog zur Veranstaltung mit mindestens einer Arbeit auf. Den handlichen Katalog schützt immer ein Umschlag in Form eines Original-Holzschnittes, entworfen von einem Künstler und nach alter japanischer Tradition in einem ausgelagerten Printers-Studio in der entsprechenden Auflage handabgezogen! Seit 1997 läuft dieses Konzept im Wesentlichen immer gleich. Der Erfolg gibt den VeranstalterInnen Recht: Im Verlauf der Ausstellungen finden immer tausende Interessierte den Weg dorthin – davon können wir in Europa nur träumen! Leider könnte die 2016er Ausstellung auch die letzte gewesen sein. Aus Altersgründen wird sich das Ehepaar Steiner zurückziehen, eine klare Regelung für die Zukunft ist noch nicht gefunden.

Mein Kontakt zu Richard Steiner ist in den Jahren nach meinem Besuch dort nie ganz abgerissen, und so gelang es mit einiger Vorlaufzeit, für den heurigen Herbst eine Ausstellung zeitgenössischer japanischer Holzschnitte in Zusammenarbeit mit Richard Steiner einerseits und der Galerie Nothburga andererseits nach Innsbruck zu bringen. Die TeilnehmerInnen sind: Richard Steiner, Hyottoko Chiaki, Natsuko Katahira, Harue und Masanori Katsuyama, Chie Kawabata, Keiko Mikami und Kyoko Sakamoto (6 Damen, 2 Herren). Alle TeilnehmerInnen beherrschen ihr Handwerk perfekt, manche davon sind bereits etabliert und hochangesehen, andere noch jung und aufstrebend, freischaffend oder an Kunstuniversitäten lehrend. Ebenso vielfältig sind ihre Sujets: Da findet sich Abstraktes und Figürliches, Altes und Neues, sehr Traditionelles und Modernes, Verspieltes und Buntes, aber auch Elegisches, Ruhiges und sehr Zurückhaltendes, hintergründig Witziges, gelegentlich auch Zeitkritisches.

Das Gemeinsame aller Arbeiten jedenfalls ist die Technik des japanischen Holzschnittes in einem eher traditionellen Verständnis. Ob man dies nur positiv wertet, bleibt jedem Besucher selbst überlassen. Alle Arbeiten zeichnet ihre exzellente handwerkliche Qualität aus. Die Wahl der Sujets sagt darüber aus, was die KünstlerInnen, die Menschen im modernen Japan interessiert oder eben nicht. Die Arbeiten sind großteils nicht vordergründig politisch-kritisch, zeitgeistig oder tagesaktuell – aber auch die Abwesenheit solcher Themen ist ja eine Stellungnahme. Wir in Europa sind es eher gewöhnt, Traditionen zu brechen, ihnen etwas entgegenzusetzen, wir erfahren Kunst oftmals als etwas, das ins gesellschaftlich-politische Geschehen eingreifen will, Stellung bezieht, konkret kritisiert. Im Osten haben Traditionen für viele immer noch einen ganz anderen Stellenwert. Traditionen verbinden, stellen ein Fortschreiben des (guten) Alten dar, und sie werden nur langsam weiterentwickelt und abgewandelt. Dies spiegelt sich auch in anderen Lebensbereichen wider, und man könnte nun erkunden, wieweit diese Haltungen kulturell, religiös, soziologisch, auch politisch begründbar sind; das allerdings, denke ich, würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. Ob man für beide Welten gleiche Maßstäbe anlegen kann, müssen die BesucherInnen für sich selbst entscheiden. In jedem Fall bietet die Ausstellung den Interessierten einen Einblick in eine andere Welt, eine möglicherweise andere Auffassung von Kunst, sie ermöglicht einen Einblick in das Spannungsverhältnis von Handwerk und Kunst, letztlich eine jedenfalls weitere und zusätzliche Anregung für alle Kunstinteressierten.

Durchschnittlichen AusstellungsbesucherInnen in Europa sind ja in der Regel aus der japanischen Kunst einzelne Beispiele der klassischen ukiyo-e bekannt, wohl auch manche Namen wie Hokusai, Hiroshige oder Utamaro. Völlig zu Recht zählen die Meister des ukiyo-e zu den ganz großen Highlights der internationalen Kunstgeschichte, für manche stehen sie sogar sinnbildlich für die japanische Kunst im allgemeinen. Natürlich ist das eine verkürzende und unzulässige Verallgemeinerung, zeigt aber gleichzeitig den enormen Stellenwert und die einmalige Außenwirkung dieser speziellen Kunstform. Dass die künstlerische Beschäftigung mit dieser uralten Form der Druckgraphik viel weiter in der Geschichte Japans zurückreicht und auch nicht mit der Edo-Periode geendet hat, ist in Europa wohl nur mehr ausgesprochenen FreundInnen der Druckgraphik oder Kunst-ExpertInnen selbstverständlich.

In diesem Kontext finden wir es nun besonders spannend, dem interessierten Kunstpublikum in Innsbruck/Tirol/Österreich zeitgenössische japanische Holzschnitte zu präsentieren. So bietet die Ausstellung nicht nur einen Blick auf die Gegenwartskultur Japans – was beschäftigt, interessiert, fasziniert Kunstschaffende und mit ihnen ja auch das Publikum im modernen Japan? –, sondern sie ermöglicht gleichzeitig einen intensiven Blick auf die Weiterentwicklung in technischer und thematischer Hinsicht dieser typisch japanischen Kunstform!

 

Die Ausstellung war vom 14. September bis 8. Oktober 2016 in der Galerie Nothburga, Innrain 41 zu sehen.
www.galerienothburga.at, info@galerienothburga.at, Tel.: ++43 (0)512 563761

* Richard Steiner, gebürtiger US-Amerikaner, kam 1970 als Englisch-Lehrer nach Hiroshima – geplant für nur ein Jahr –, kam dort in Kontakt mit dem japanischen Holzschnitt, studierte zehn Jahre bei mehreren Meistern das Handwerk – mokuhanga – und erhielt schließlich seine Lehr-Befugnis, verbunden mit dem Titel „tosai“; seit 1980 betreibt er sein eigenes Studio in Kyoto, bis heute auch als gesuchter und stark gebuchter Lehrer, er unterrichtete bis 2014 an der Seiko University in Kyoto und steht KIWA seit vielen Jahren als Präsident und Hauptorganisator vor.

 

 

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