Lies Heilmann: Vertixtes Chaos, geordnet

Edition Jugendfrei Blatt 20

Mit ihrem 20. Blatt kehrt die Edition Jugendfrei in Um:Druck, bevor sie ab dem Blatt 21 international wird, zu ihren Anfängen in der Druckgraphik-Klasse von Georg Lebzelter und Sergius Kodera, damals noch in der wiener kunst schule, damals noch in der Lazarettgasse in Wien-Alsergrund, zurück. Aus dieser Klasse gingen alle bisherigen Edition-Jugendfrei-BeiträgerInnen (außer Ana Popescu, Edition Jugendfrei 19/2012) hervor, etliche davon haben erfolgreiche druckgraphische Karrieren gestartet. Eine davon ist Lies Heilmann, die bereits vor mehr als zehn Jahren an der wiener kunst schule diplomiert hat und seither konsequent als Druckgraphikerin arbeitet. Zahlreiche Ausstellungen, u.a. im Linzer Kunstverein, treue SammlerInnen, der Um:Druck (siehe Beiträge in Um:Druck Nrn. 4/2007, 5/2007, 15/2010, 18/2011) und ich (schreibend und eröffnungsredend) begleiten ihren Weg. Lies Heilmann hat für die Edition Jugendfrei ein Blatt geschaffen, in dem sie ihre Arbeit der letzten Jahre zusammenfasst und zu neuer Klarheit und Harmonie gelangt.

Lies Heilmann widmet sich fast ausschließlich der Radierung, deren unterschiedliche Techniken von Strichätzung über Kaltnadel, vernis mou und Aquatinta sie meisterhaft beherrscht und in spielerischen Varianten einsetzt. Inhaltlich beschäftigt sich Lies Heilmann in den letzten Jahren, angeregt durch einen Kurs über Kulturmanagement, mit den kleinen Dingen der Ordnungssysteme im Büro, das trotz aller Computer nie ein papierloses sein wird. Sie bringt auf ihre Kupferplatten Klebeetiketten, Lochverstärkerringe, Tixostreifen, Gummiringerl auf – alles Dinge, die zum Haften und Halten, zum Ordnen und Archivieren von Briefen und Rechnungen und von unzähligen Kopien dieser Briefe und Rechnungen dienen. Und notfalls auch zum Restaurieren nicht nur der zerlesenen Reclam-Heftchen, sondern auch von eingerissenen Briefen und Rechnungen. Dabei ist Lies Heilmann, wie sie selbst zugibt, eigentlich eine Chaotin, und die Art, wie sie die Radiertechniken verwendet, ist auch gar nicht schulmäßig-ordentlich, sondern verspielt, zufallsverliebt, von Launen abhängig, experimentell im Sinne des Ausprobierens überraschender Wirkungen, spontan in der Arbeit und den Entschlüssen: gesetzt, geätzt, verpickt, vertixt (so ein Heilmannsches Wort fürs spezielle Gestaltungs- und Druckverfahren: auch in Wortspielen äußert sich der Spiel- und Experimentiertrieb der Künstlerin), gefärbt, gedruckt. Diese Art, mit der Radiertechnik umzugehen, entspricht ihrer Vorliebe für das Collagieren. Schon früh hat Lies Heilmann alte Bilder zu neuen fantasievollen Kompositionen zusammengefügt, so zum Beispiel eigene Kaltnadelarbeiten und Inserate aus Zeitschriten der 1950er-Jahre zu einer Serie mit dem Titel „auch karl may war nie im wilden westen …“. Immer changieren diese Collagen zwischen Chaos und Ordnung, Dissonanz und Harmonie. Unser Blatt, das ich zu den geordneten, harmonischen Blättern zähle, evoziert die heitere, charmante Wirkung durch die nun nahezu systematisch, jedenfalls genau in ihrer Wirkung kalkulierten Elemente.

Die braunen und schwarzen Flächen und der darunter liegende farblose Prägedruck schaffen eine schöne, harmonisch ruhige Tiefenschichtung, die uns zuerst abstrakt anmutet, aber bei näherem Hinsehen stellen sich Assoziationen an Buchrücken und Baumstämme oder an Blätter und Waldböden ein. Es ist diese Balance zwischen abstrakten Formen und konkreten Erinnerungsstücken, die das Blatt spannend und vielschichtig macht. Die kompositorische Ausgewogenheit und Ruhe macht es uns möglich, konzentriert die Details im Blatt zu genießen, die sich aus den Materialien, die auf die Kupferplatte aufgeklebt wurden, ebenso ergeben wie aus den vorsichtig eingefügten Ätz- und Kratzspuren.

Und zum Schluss sei noch angemerkt: Für Lies Heilmann, die Druckgraphikerin mit dem Hang zum seriellen Unikat, wie sie sich selbst bezeichnet, ist es eine beondere Leistung, eine Auflage von 50 Drucken in derselben hohen Qualität zu produzieren. Dies ist ihr gelungen.

Philipp Maurer

Lies Heilmann, (www.lies.at), 1995 bis 1997 Studium der Malerei und Graphik, 1997 bis 2000 der Druckgraphik an der wiener kunst schule bei Mag. Georg Lebzelter und Dr. Sergius Kodera. Diplom 2000. 2005 bis 2006 Zertifikatskurs Kulturmanagement am Institut für Kulturkonzepte, Wien. Mitglied bei der Berufsvereinigung Bildender Künstler Oberösterreichs und der IG Bildende Kunst, Wien. Seit 1999 zahlreiche Ausstellungen in Österreich und Deutschland.

Geben Sie einen Kommentar ab:

UM:DRUCK

Zeitschrift für Druckgraphik und visuelle Kultur | Journal of printed art and visual culture
Landstraßer Gürtel 17/30
1030 Wien, Österreich / Austria umdruck@tele2.at

Copyright © 2024. UM:DRUCK

 Facebook