Edition Jugendfrei 14
„Dekonstruierte Maschinen“ unserer Gegenwart, verschiedene elektronische Bauteile wie Steckdosen oder Ethernetplatinen fügen sich in konstruktiver Weise zu einer pseudoperspektivischen räumlichen Ordnung. Die Teile schweben über Konstruktionslinien, Kreisen, Kreissegmenten und geometrischen Winkeln oder fluchten als Gitterwerk in einen Punkt. Sie sind Zeugen unserer technologischen Entwicklung, die aus ihrem funktionellen Zusammenhang gelöst worden sind. Eine vergängliche Welt aus Elektroschrott entsteht vor unseren Augen.
Die Farblithographie erscheint als irreale Planskizze in zwei Ebenen, entstanden durch das Gedächtnis zweier Steine als Vermächtnis des Prozesses ihrer Bearbeitung. Der Stein nimmt Information auf und speichert sie wie die Festplatte eines Computers. Er kann wieder und wieder abgeschliffen und erneut bezeichnet werden. Bei jedem Schleifvorgang bleiben aber auch Restinformationen erhalten, ähnlich wie bei modernen Datenträgern.
Zwei wesentliche Komponenten wirken dabei zusammen, das Struktur bildende Gedächtnis des Steines und die spontane Federzeichnung. Sie bilden gemeinsam die Voraussetzung für Entwicklung und zeigen sich für das Erscheinungsbild dieser Arbeit verantwortlich. Es ist Ausdruck von Drucktechnik, Prozessen der Bearbeitung, Farbe und Darstellung.
Die alten Spuren wurden ganz oder teilweise gelöscht und von mir überzeichnet. Analog zum Leben, zu einer wahrnehmbaren Entwicklung wurden alte Informationen des Steines weiter getragen und verändert. Das gesamte Wissen unserer heutigen Zeit ist ein Konglomerat unserer Geschichte.
Durch Prozesse der Entwicklung hat sich der Mensch neue Dimensionen geschaffen – den digitalen Raum, welcher hier durch Hardwarefragmente repräsentiert wird. Sie sind durch die Zerlegung unserer modernen Technologie, die wir tagtäglich benützen, zum Vorschein gekommen. Das Internet ist ein Sammelsurium aus einer Fülle von gespeicherten Informationen. Es bildet ein in sich geschlossenes System, ähnlich einem biologischen System. Parallelen zwischen technischen Errungenschaften und biologischem Wachstum werden sichtbar.
Digitale Informationen stehen uns in schier unendlicher Menge zur Verfügung. Wir haben einfachen, schnellen Zugang zu einer Vielzahl an Texten, Bildern, Film- und Videomaterial und haben im Umgang mit neuen Medien neue Strategien und Arbeitsweisen entwickelt. In Zeiten von „copy and paste“ und Intertextualität ist „sampling“ als Verfahren längst nicht mehr nur in der Musik anzutreffen, sondern wird bereits in allen freien Künsten angewandt.
Welche Auswirkungen ergeben sich dadurch für Kunst und Künstler? Wird künstlerische Arbeit in Zukunft immer stärker an technologische Weiterentwicklung gekoppelt und werden künstlerische Vorgangsweisen zunehmend den neuen Medien verpflichtet sein? Besteht nicht auch die Gefahr von Verflachung?
In einer gelungenen künstlerischen Arbeit kommt es zu einer Synthese aus Idee, Intuition, Recherche und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es entsteht dabei immer etwas Neues, Originäres genau wie Be- und Überarbeitung eines Druckstockes.
Dem Hervorkehren des Funktionellen entspricht die Suche nach den Dingen, die im Verborgenen liegen, und der Drang nach Wissen, der uns Menschen vorantreibt.
Martin Bischof
Martin Bischof, geboren 1979 in Bludenz, Vorarlberg. Seit 2006 studiert er Druckgrafik an der Wiener Kunstschule.